Ufermord by Katharina Peters

Ufermord by Katharina Peters

Autor:Katharina Peters
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Aufbau digital
veröffentlicht: 2021-12-02T06:27:17.598000+00:00


14

Oskar Bautner gehörte zu den letzten Studenten und Studentinnen, die den Seminarraum verließen. Er hatte sich seinen Rucksack über die Schulter geworfen und wirkte in Gedanken verloren. Romy blieb ein paar Schritte zurück und beobachtete, wie Finn den jungen Bautner ansprach. Erneut dachte sie, wie wenig Oskar seinem Vater ähnelte. Auf den ersten Blick nahm man ihn als das schwächste Glied in der Familienkette wahr – der Jüngste, ein schmaler zurückhaltender junger Mann, ein Computer-Nerd, mit dem der eigene Bruder wenig anfangen konnte. Der Kleine, den man einfach nicht für vollnahm, vielleicht nie vollnehmen würde.

Oskar lauschte einen Moment Finns Worten, hob dann den Kopf und sah in Romys Richtung. Er lächelte etwas zögerlich und trat dann näher. »Frau Kommissarin, das ist ja eine … Überraschung«, sagte er höflich.

Das ist es nicht, dachte Romy und erwiderte das Lächeln. Sie gab ihm die Hand. »Ich gehe davon aus, dass Ihre Mutter Sie kontaktiert hat«, sagte sie rundheraus. »Wären Sie trotzdem bereit, mit uns zu sprechen?«

Oskar wirkte nur einen Moment irritiert. »Die Situation ist nicht ganz einfach für mich.«

»Ich weiß.«

Er sah sie mit offenem Blick an. Dann nickte er.

»Gehen wir etwas trinken?«

»Keine fünf Minuten Fußweg entfernt gibt es ein nettes Bistro«, meinte Finn. »Wenn wir uns beeilen – drei Minuten.«

Oskars Handy klingelte während des kurzen Spaziergangs mehrfach, und er stellte es schließlich aus. Das Lokal war gut besucht, sie ergatterten einen kleinen Tisch im Durchgangsbereich zur Küche, wo es, den Hintergrundgeräuschen nach zu urteilen, hektisch zuging. Oskar bestellte einen Milchkaffee, Finn Tee, Romy entschied sich für einen Espresso. »Ihre Mutter will nicht mehr mit uns reden«, ergriff sie dann das Wort. »Für sie ist der Fall geklärt. Weitere Nachforschungen unterstützt sie nicht, und von ihren Kindern erwartet sie die gleiche Haltung.«

Oskar ließ die Einschätzung unkommentiert stehen. »Worum genau geht es eigentlich?«

»Um Ihren Vater.«

Er lächelte dezent ironisch. »Das habe ich mir schon gedacht, aber inzwischen ist doch geklärt, was geschehen ist. Warum …«

»Vielleicht dachten wir nur, dass er geklärt sei. Möglicherweise steckt etwas anderes hinter dem Geschehen.«

Oskar runzelte die Stirn. Er sah hoch, als die Kellnerin die Getränke brachte. »Wie kommen Sie darauf?«, fragte er und griff nach seinem Glas.

»Ihre Mutter hat Ihnen keine Einzelheiten genannt?«

»Meine Mutter und auch mein Bruder gehen davon aus, dass es genügt, wenn sie mir sagen, wie ich mich verhalten soll.« Er trank einen Schluck.

Romy war verblüfft. Oskars Miene erweckte den Eindruck, als lauschte er seinen eigenen offenen Worten einen Moment nach – und als gefiele ihm der Klang. »Und Sie sind der Ansicht, dass das nicht ausreicht?«, fragte sie.

»Nicht mehr. Außerdem … Ich kann und will für mich selbst sprechen, auch wenn die beiden das kaum für möglich halten.«

»Und was ist mit Ihrer Schwester?«

»Mirjam …« Er zögerte. »Sie weiß wohl oft nicht, wo sie steht. Oder wo sie stehen soll. Was sie will, was sie nicht will.« Er lächelte plötzlich verlegen. »Klingt alles ein bisschen schräg, oder?«

»Darf ich ganz offen sprechen?«

»Ja, natürlich. Darum sitzen wir hier, denke ich.«

»Das Bild, das ich inzwischen von Ihrer Familie gewonnen habe, hat



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